28.3.2005

Fritz Pölking

Ein Blick in die gläserne Kugel

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt...

 

Die Neuzeit der Naturfotografie begann in den 50er Jahren, mit der Edixa und dem Novoflex-System. Das waren geniale Würfe. Bis dahin gab es nur Objektive mit Schneckengang-Scharfeinstellung. Die war extrem langsam und im Winter auch extrem schwergängig. 

Novoflex brachte die sogenannten Schnellschußobjektive, wobei man nur einen Griff zusammendrücken mußte, um blitzschnell scharf einzustellen. Dieser Griff kam als Paukenschlag mit gleichzeitig vier Objektivköpfen: 4.5/240 mm, 5.6/300 mm, 5.6/400 mm und 9.0/640 mm. Leider wurde das System von Novoflex kaum gepflegt und weiterentwickelt, und Innenfokussierung und Autofokus machten es später überflüssig. 

Und bis zur Edixa hatten die Kameras Schraubgewinde, einen Spiegel der oben blieb und für den Filmweitertransport musste man einen Knopf drehen, der etwas dicker war als der Rückspulknopf, den vielleicht einige noch kennen von der Nikon F3 oder der Canon F1. Die Edixa SLR brachte als erste einen Rückschwingspiegel  (einen Begriff, den heute niemand mehr kennt), der nach der Aufnahme direkt in seine Ausgangsposition zurückkehrte, so das man sofort nach der Aufnahme wieder etwas durch den Sucher sehen konnte. 

Bis dahin musste man erst den Film weiterspulen, bevor der Spiegel wieder herunterklappte und man im Sucher nicht nur ein schwarzes Feld sah. Danach kam dann auch bei Edixa das Kamerabajonett und ersetzte die Schraubgewinde. Das war schneller, und - ab jetzt saßen die Objektive immer genau richtig an der Kamera. Bei den Schraubgewinden war es nämlich so, daß jedes Objektiv ein paar Millimeter nach links oder rechts verdreht an der Kamera saß, und nie der Strich auf dem Objektiv für die Zentrierung wirklich in der Mitte saß. 

Mit dieser Ausrüstung - Edixa mit vorzugsweise Noflexar 5,6/400 mm, waren die Naturfotografen endlich in der Lage, wirklich das Leben einzufangen: blitzschnell und in all seinen Facetten. 

Der nächste Fortschritt war die Innenfokussierung, wodurch man nicht mehr die schweren Vorderlinsen mit einem Schneckengang bewegen mußte, sondern nur noch eine kleine Linse im Objektiv. Dann kamen Winder und Konverter. Toll.. Man mußte den Film nicht nach jedem Bild mit Knopf oder Schnellschalthebel (auch zuletzt an der Nikon F3 und Canon F1) weitertransportieren und dafür die Kamera vom Auge nehmen, sondern konnte sich voll auf die Bildfolge konzentrieren. 

Auch die Konverter waren ein großartiges neues Werkzeug. Am Anfang noch recht schlecht, wurden sie aber kontinuierlich weiterentwickelt, und heute kann man ein Bild mit dem 4.0/500 mm und einem mit einem (erstklassigen) 1.4x Konverter dazu als 5.6/700 mm aufgenommenen, kaum an der technischen Qualität unterscheiden. 

Dann der Autofokus-Paukenschlag, der uns endlich in die Lage versetzte, bei Flugaufnahmen den Ausschuß von 99% auf 50% zu reduzieren, und der auch sonst nicht mehr fortzudenken ist.

Als letzte Neuentwicklung kam der Stabilisator hinzu, der so langsam praktisch in alle längerbrennweitigen Objektive eingebaut wird.

Baumfalke rastet in seinem Jagdgebiet.
Hüttruper Heide bei Greven (etwa 1960).
Edixa, Noflexar 5.6/400 mm, Ilford PAN-F, Stativ, Tarnzelt.

 

1960: Die Zeit für den konventionellen Kleinbildfilm ist abgelaufen.

So um die 1960 gab es in der Fotopresse und der Fotoindustrie Diskussionen, ob der Kleinbildfilm noch zeitgemäß sei. Erstens hatte er vorne eine Zunge, die vor dem zweiten Weltkrieg nötig war, weil die Leicas damals keine Rückwand hatten die man öffnen konnte, sondern man mußte die Bodenplatte abnehmen, von dort die Filmpatrone hereinschieben und dann die Zunge auf der anderen Seite einfädeln. Auch hatte der Kleinbildfilm damals oben und unten eine Reihe Löcher die man Perforation nannte, und die auch vor dem zweiten Weltkrieg nötig waren, weil man in die Leicas Kinofilm einlegte, und der war perforiert, um ihn mit 24 Bildern in der Sekunde im Kino vorführen zu können.

1960 hatten die Spiegelreflexkameras aber alle eine Rückwand zum aufklappen um den Film einzulegen, und die jetzt benutzten Filme waren keine Kinofilme mehr, sondern wurden extra für die Fotoapparate gegossen, brauchten also auch die beiden Reihen mit den Löchern oben und unten nicht mehr.

Der Super-Kleinbildfilm.

Daher kam man zu der ja richtigen Ansicht, dass die Zunge überflüssig sei und es auch nicht besonders viel Sinn machte, erst einen schönen großen Film zu gießen und ihn ganz mit Filmemulsion zu bedecken, und dann anschließend, wenn er fertig ist, oben und unten eine Reihe Löcher hineinzustanzen und ihn dadurch zu einem Drittel unbrauchbar zu machen.

Wenn man keine Löcher stanzte würde er billiger, weil dieser Arbeitsgang fortfällt, und die Fotografen bekommen statt eines 24x36 mm Dias, ein 30x40 mm Dia oder Negativ oder ein 33x45 mm, also zusätzliche kostenlose Qualität. Der Film würde in die gleiche Patrone passen, weil er ja nicht wirklich größer wird, sonder er nur nicht mehr durch die Löcher zu einem Drittel unbrauchbar gemacht wird. Außerdem könnte man dann auch gleichzeitig das etwas unglückliche Leica-Format vom Seitenverhältnis 2 zu 3, was ja ein langes, schmales Handtuchformat ergibt, ändern in das harmonischere 3 zu 4 Format, auch ohne Kosten.

Man war sich eigentlich weitgehend einig, dass dies sehr sinnvoll wäre und man das machen sollte.

Instamatic

Statt dessen kam von Kodak das Instamatic-Format. Kodak fand, dass es der Neuzeit nicht mehr entspräche, dass man den Film auf einer Seite einlegen muss, der läuft dann zur anderen Seite, man muss ihn erst zurückspulen bevor man ihn entnehmen darf, und wenn man die Rückwand der Kamera mal versehentlich oder vor dem Rückspulen öffnet, sind viele Bilder ruiniert.

Kodak machte daher eine Plastikkassette mit 24 Bildern 28x28 mm die man einfach in den Film einlegte, nachher einfach herausnahm und zum Fotohändler brachte, und wenn man die Kamera versehentlich öffnete, war nur ein Bild verloren. Außerdem hatten die Fotografen nicht mehr die Qual der Wahl, ob sie nun hochformatig oder querformatig fotografieren sollten. Auch dieses Problem nahm ihnen das neue Format ab.

Rapid

Agfa fühlte sich damals noch so stark, dass sie es nicht hinnehmen wollten, dass ein Kodak-Filmsystem den Markt dominiert und brachte ein eigenes, etwas schlechteres System, genannt Rapid, im Format 24x24 mm mit 16 Aufnahmen.

Es war, wie vieles bei Agfa in den letzten 40 Jahren, ein ziemlicher Murks. Man musste links eine volles Patrone einlegen und rechts eine leere. Dann lief der Film von der vollen in die leere Patrone. Anschließend mußte man rechts die Patrone herausnehmen, die jetzt leere linke auf die rechte Seite bringen und die neue volle auf die linke Seite. Damit waren die meisten überfordert. Damals hatte ich einige Fotogeschäfte und fast jeden Tag kam jemand mit einer Rapidkamera in der angeblich ein voll belichteter Film auf der rechten Seite lag. In Wirklichkeit war das aber der unbelichtete Film der überhaupt nicht durchgelaufen war, weil der Kunde ihn auf der falschen Seite eingelegt hatte.

Pocket

Nach Instamatic fand nun Kodak, dass man es den Leuten doch noch einfacher und bequemer machen müßte zu fotografieren und brachte eine Kassette die noch kleiner war und Kameras erlaubte, die wie etwas groß geratene Feuerzeuge aussahen. Es war das Instamaticprinzip, nur etwas verkleinert.

Halbformat

Irgendwann in den siebziger Jahren hatte Olympus schon einmal die an sich richtige Idee, dass das traditionelle Format von 24x36 mm viel zu groß ist für die 99% an Knipsbildern im Format 9x13 cm , die an jedem Wochenende millionenfach produziert werden, und dafür ein Halbformat doch völlig ausreicht. Also kreierte Olympus das Format 18x24 mm auf normalem KB-Film. Das ergab jetzt 48 Bilder auf einem 24er oder 72 Bilder auf einem 36-Film. Auch waren diese Kameras natürlich kleiner und leichter. Also nur Vorteile. Leider wollte nur niemand diese Halbformatkameras kaufen (die sehr schön waren), und das Format verschwand wieder in der Versenkung nach einigen Jahren. So gesehen ist der Mut von Olympus zu bewundern, es jetzt noch einmal mit einem verkleinerten Format zu versuchen.

Disc

Danach hatte Kodak die geniale Idee, den Markt endgültig zu revolutionieren und den Film den elektronischen Möglichkeiten der Großlabore anzupassen. Disc war kein Film mehr, sondern eine runde Scheibe mit einem Loch in der Mitte und erlaubte Kameras zu bauen, die wie Zigarettenschachteln aussahen.

Disc war eigentlich gemacht worden um, den Großlabors eine Freude zu bereiten. Denn die waren es leid, immer Hunderte von Filmen im Dunkeln zu einer  Riesenrolle zusammenzukleben und später wieder in einzelne Filme zu zerschneiden.

Diese Discscheiben konnte man auf eine Stange übereinanderbringen wie Schaschlik und waren 'massenverarbeitungsfreundlich' konzipiert.

Die Kodak Marketingabteilung versprach den Großlabors im ersten Jahr einen Marktanteil von 30 % für Disc, im zweiten Jahr den großen Durchbruch und vom dritten Jahr an wären alle anderen Filme verdrängt und es würde nur noch Disc gekauft werden und ein Marktanteil von über 90 % wäre da für dieses Format.

Daher orderten die Großlabore viele schöne neue Maschinen die sehr teuer waren, so um die 500.000,- DM pro Stück, für diesen kommenden Boom.

Er kam aber nicht, und etwa bei CEWE-Color wurden die gelieferten Entwicklungsmaschinen zum Teil überhaupt nicht ausgepackt und wanderten später funkelnagelneu und unbenutzt auf den Sperrmüll.

Advanced

Nachdem alle die schönen neuen Filmformate gescheitert waren, holte die Industrie zum großen Schlag aus und schuf das Advanced-Format, wo der Kunde zwischen drei Formaten wählen konnte, Standard, Groß und Panorama. Viele Firmen bauten auch für dieses Format extra Kameras. Inzwischen hat man die Produktion von Kameras für dieses letzte neue Filmformat genannt APS auch schon wieder eingestellt...

*

Tja - alle diese wunderschönen von der Industrie konzipierten und mit viel Geld und Hoffnungen auf den Markt gebrachten Filmformate sind gekommen und gegangen, keines hat sich durchgesetzt oder konnte sich  behaupten, nur dieser komische Kinofilm von 1925, mit der Zunge und den Löchern, den gibt es immer noch und hat 2005 noch einen Marktanteil von sicher 99,9 % bei den Kleinbildfilmen. 

Es sollte mal jemand ausrechnen, wie viele Millionen Euro die Fotoindustrie mit  Instamatic, Rapid, Pocket, Halbformat, Disc und APS versenkt hat.

Der Kleinbildfilm 24x36 mm war also das erste Filmformat, mit dem der Siegeszug der Kleinbildfotografie auf Film begann, und es scheint auch das Filmformat zu bleiben bis zum Ende der Kleinbildfotografie auf Film, das anscheinend viel schneller kommt, als ich das gedacht hatte.

Zinnoberroter Kelchbecherling
Hüttruper Heide bei Greven (27.3.2005)
Canon EOS digital, 2.8/105 mm, 
RAW-Datei, 250 ISO, SVA, Stativ.

Meine Ansicht war bisher, dass vielleicht so 2010 der digitale Anteil in der Naturfotografie bei 50 % liegen würde. Wie ich jetzt im Februar 2005 feststellen musste, liegt er aber  -  zumindest bei den amerikanischen Naturfotografen - jetzt schon bei 90 % (siehe Bulletin 29).

Die digitale Gegenwart und Zukunft?

Jetzt wird es hochinteressant. Für die Gegenwart kann man sicher sagen, dass in der Naturfotografie über 90 % die digital fotografieren, eine Halbformat-SLR benutzen mit einem Faktor 1.5x oder 1.6x und mit 6-8 Millionen Pixel. 

Nachdem wir aber jetzt wissen, dass die Industrie absolut keine Ahnung hat was die Leute wirklich haben wollen, und die Fotografen immer etwas anderes nehmen als die Industrie geplant hat, erhebt sich die Frage: Was wollen die Fotografen denn wirklich in der Zukunft für ein digitales Format?

*  Das Viertelformat von Olympus, Sony und anderen?

*  Das Halbformat von Nikon, Canon und anderen?

*  Das Vollformat von Canon, Kodak und anderen?

Im Augenblick kann man kaum vorhersagen wie sich das entwickelt und was wirklich gewünscht wird, weil es ja 'fast' nur Halbformat-Kameras zu einigermaßen vernünftigen Preisen gibt.

Aber Canon baut im Augenblick 130.000 Kameras vom Modell 350-D monatlich und Nikon 80.000 von Modell D-70. Es werden also riesige Stückzahlen gebaut und gekauft und das wird sich auf die Herstellungskosten von Sensoren massiv auswirken. 

Sie werden - wie alles in der modernen Technik, vom Taschenrechner bis zum Flachbildschirm - irgendwann nur noch 10 % vom jetzigen Preis in der Herstellung kosten. 

Was bedeutet, dass dann die Preisunterschiede (fast) nicht mehr an der Größe des Sensors liegen werden, sondern in den unterschiedlichen Kameraqualitäten, wie 'früher' bei den analogen, wo der Preisunterschied zwischen einer F5 und F100, oder EOS-1 V und EOS 3 ja auch nicht im Filmformat begründet  lag.

Und eigentlich erst dann, wenn diese Auswahl von SLR-Kameras mit unterschiedlichen Sensorgrößen zu (fast) gleichen Preisen da ist, werden wir erfahren, welche Sensorgröße die Fotografen eigentlich haben wollen.

Es wird spannend...

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