12.11.2005
Ein
Interview in der Tageszeitung
Westfälische Nachrichten
Die Fragen stellte
Ulrich Reske von der Redaktion der Zeitung
WN:
Mit knapp 70
Jahren, sind Sie da eigentlich der Dinosaurier unter den
Naturfotografen? Fritz
Pölking:
Das könnte man sagen. Ich habe Sachen erlebt, die kennen
viele nicht mehr: Bei der ersten Spiegelreflexkamera ging der
Spiegel zwar hoch, sollte er wieder runter gehen, musste man
erst ein Rädchen am Gehäuse drehen. WN:
In 50 Jahren Fotografenleben erlebten
Sie technische Quantensprünge. Haben Sie alles
mitgemacht? Pölking:
Mich haben stets Fotos
und Motive
interessiert. Ließen die sich
über Autofokus, Motordrive oder innenliegende
Belichtungsmesser verbessern, war ich dabei. Technischer
Schnickschnack interessierte mich nicht. WN:
Sie kommen gerade von Rügen und dem Ostseerevier zurück.
Ziehen Sie das heute den fernen Reisen vor? Pölking:
Im Dezember bin ich in Neu-Mexiko, im Januar in Kenia, im
Februar in Florida, Mai Brasilien... WN:
Schon überzeugt. Pölking:
Trotzdem können die heimischen Gefilde interessant
sein. Ein fantastischer Anblick:
40.000 Kraniche, die auf
Rügen starten. Die Landschaft der Sächsischen Schweiz
ist etwa beeindruckend wie der Yosemite-Park in Kalifornien. WN:
Am Anfang stand die
Ausbildung zum Konditormeister. Was weckte in dem jungen
Pölking den Wunsch zur Fotografie? Pölking:
Meine Eltern hatten eine Konditorei auf der Münsterstraße.
insofern erklärt sich diese Ausbildung. Irgendwann habe ich
gedacht: 1000 Berliner und zehn Torten am Tag, die sind
so vergänglich. Ein Architekt hingegen freut sich lange
über seine Brücke und ein Fotograf über seine Bilder. WN:
Wenn man auf der rheinisch-westfälischen Achse
Krefeld - Greven lebt, was gibt da den Ausschlag Fotograf zu
werden? Pölking:
Ein bisschen liegt es vielleicht in den Genen. Der Bruder
meines Vaters war Fotograf und hatte sein Geschäft auf der Münsterstraße,
da wo heute der HL-Markt ist. WN:
Erinnern Sie sich an Ihr erstes Bild als
Naturfotograf? Pölking:
Ich war zwölf Jahre und entdeckte auf der Garage unseres
Hauses eine Amsel mit einer roten Kirsche im Schnabel. Zwei
Leitern habe ich benutzt, mich angepirscht. Seitdem bin ich
Naturfotograf. WN:
Sie bereisten entlegene Teile unserer Erde schon zu
einem Zeitpunkt, als die Reise an sich bereits ein Abenteuer
war. Sie waren ein
Global-Player, als es das Wort noch gar nicht gab. Sind die
Reisen des Naturfotografen heute bequemer geworden? Pölking:
Am bequemsten waren die Reisen so vor 20 Jahren. Da gab’s
beim Fliegen noch keinen Unterschied zwischen Business und
Economy. Man hatte viel Platz. Heute dagegen sitzt man eingezwängt.
Die Reise an sich war früher schon ein Abenteuer. Während
eines Flugs zu den Galapagos-Inseln entdeckte ich einen
Öl tropfenden Propeller. Der Bordingenieur nahm’s
gelassen: Sagen Sie Bescheid, wenn‘s nicht mehr tropft. WN:
Spektakuläre Bilder: Da packt eine Wildkatze ein
Impala, kämpfen Elefanten miteinander, schnappt das Krokodil zu
– ist das eigentlich ein gefährlicher Job oder fotografieren
Sie in sicherer Distanz aus dem geschützten Landrover? Pölking:
Gefährliche Ecken gibt es in Berlin, Hamburg und Nairobi,
nicht aber in der Natur. Menschen können gefährlich sein. Sie
schleichen sich von hinten mit dem Messer an. Tiere sind
berechenbar, melden sich. Das einzig gefährliche Tier ist der
Grizzley-Bär, weil er keinen Gesichtausdruck hat, an dem man
seine Stimmung erkennen kann. Gefahr gibt es insofern nur durch die Dummheit
der Menschen. Im Yellowstone Nationalpark habe ich einen Vater erlebt, der stellte
seine Tochter neben zwei Grizzley-Junge, um sie zusammen zu
fotografieren. Auf der anderen Seite stand die Grizzley-Mutter.
Das war mehr als dumm. WN:
Eine Fotosafari in den Rieselfeldern oder in der
Masai Mara in Kenia – wo gibt´s Gemeinsamkeiten, wo
Unterschiede? Pölking:
In Afrika kann man sich den Tieren mit dem Auto auf wenige
Meter nähern.Die kennen das, stören sich nicht daran. Wenn Sie
hingegen zu Fuß durch die Savanne gehen, ist sie plötzlich
Tier-leer. In Alaska und der
Tundra laufen Sie meilenweit
zu Fuß. Um Kraniche in Zingst zu fotografieren, mietet man eine
Holzhütte von der Kranich-Schutzstation. Das ist eine Frage der unterschiedlichen Tarnung. WN:
Fotografen reisen
mit großen Schrankkoffern: Equipment ohne Ende, für
jedes Foto ein anderes Objektiv.
Was macht die Technik aus, was den Fotografen? Pölking:
Was macht man mit einem guten Tennisschläger, wenn man
nicht Tennis spielen kann, was mit einem vorzüglichen Klavier,
wenn man nicht spielen kann. Eine gute Fotoausrüstung nutzt nur
dem, der damit auch umgehen kann. WN:
Digitale Fotografie verzeiht dank der digitalen
Bearbeitung manchen Fehler des Fotografen. Ist diese Möglichkeit
der nachträglichen Manipulation für einen Fotografen nicht
von Übel? Pölking:
Ein unter- oder überbelichtes Bild zu verbessern, kann ein
echter Vorteil sein. Es ist allerdings durch digitale Fotografie
auch leichter geworden zu betrügen. Grundsätzlich gilt für
Fotografen heute wie früher: Am Bild darf nicht gepfuscht
werden. Wenn früher eine Prinzessin ein Baby bekommen hat, gab
es in 20 verschiedenen Illustrierten auf den Titelseiten 20 verschiedene
Babys, jeweils auf den Arm der Prinzessin manipuliert. Spezialanwälte sorgen heute dafür, dass das nicht mehr so
einfach geht. WN:
Fotografieren Sie überhaupt noch analog, sprich mit
echten Filmen? Pölking:
Seit Januar 2004 habe ich keinen Diafilm mehr angefasst. WN:
Sie sehen also überwiegend Vorteile? Pölking:
Auf jeden Fall. Auf dem Weg von
Alaska zurück wurde früher die Filmausbeute etwa zehn
Mal geröngt. Weil irgendeines der Geräte defekt war, haben
Kollegen die ganze Ausbeute verloren. Rein digital wäre das
nicht passiert. Ich hatte gottseidank immer Glück. Aber auch
wenn ich früher rund 30 Agenturen mit Fotos beliefert habe,
waren das pro Sendung jeweils 200 Dias. Heute schicke ich eine
DVD mit Kontaktabzügen. WN:
Sie sind Naturfotograf, der mit einer Naturfotografin
verheiratet ist: Geht das
gut, wenn sich privat wie dienstlich alles um eben dieses
Thema dreht? Pölking:
Wenn ich irgendwohin fahre, um Tiere zu fotografieren, reise
ich meist allein. Gemeinsame Wege beschreiten wir, wenn
interessante Landschaften und Pflanzen zu fotografieren sind.
Darauf ist meine Frau spezialisiert. Das hat sich sehr gut
eingespielt. WN:
Vermutlich werden Sie Preise und Auszeichnungen gar
nicht mehr zählen können. Gibt es darunter eine Ehrung, die
ihnen besonders am Herzen liegt? Pölking:
Ja, in Großbritannien verleiht die BBC ein Mal im Jahr den
Titel „Naturfotograf der Jahres“ Aus einer Konkurrenz von 20.000
Kollegen diesen Titel zu bekommen, macht mich stolz. Das war
1977. Danach habe ich noch in vielen Einzelbereichen erste Plätze
belegt. Pölking:
Sie haben nicht nur das besondere Auge, dass sie zur
rechten Zeit an den rechten Ort und letztlich zu fantastischen
Ergebnissen führt. Sie
haben auch die sprachliche Kompetenz, die Geschichten der
Bilder zu erzählen, passende Essays zu verfassen. Sind Sie
immer auch der Autor Fritz Pölking gewesen? Pölking:
Schreiben hat mir immer Spaß gemacht. Allerdings nur über
Sachen, von denen ich auch etwas verstehe. WN:
Naturfotograf, Autor und Verleger – wissen Sie
eigentlich, wen Sie mit ihren Büchern ansprechen. Wer und wo
sind die Pölking-Fans? Pölking:
Die meisten Veröffentlichungen richten sich direkt an die
Naturfotografen, von denen es in Deutschland etwa 30.000
gibt. Bücher über die Masai Mara oder die Galapagosinseln
zielen natürlich auch auf touristische
Interessen. WN:
Sie bieten auch Workshops und Reisen zum Thema
Naturfotografie an. Ist es für Sie wichtig, Ihre Erfahrungen
weiter zu geben? Pölking:
Erfahrungen zu
vermitteln, ist für mich besonders schön, weil ich sie im
Familienverbund anbieten kann. Gemeinsam mit meiner Tochter, die
in Aachen eine Professur für Digitale Medien hat. Im
Bayerischen Wald haben wir einen Workshop angeboten, bei
dem ein um den anderen Tag fotografiert und anschließend
Fotos bearbeitet wurden. WN:
Auf welche Projekte dürfen sich die Pölking-Fans in
nächster Zeit freuen? Pölking:
Im Fühjahr nächsten Jahres gibt es das Buch „Digitale
Naturfotografie in der Praxis“. Ein Buch mit wichtigen Tipps
und Informationen zur digitalen Fotografie draußen. |
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