1. Tour - 2.Teil Von jetzt an fuhr ich jeden Abend bei
Einbruch der Dunkelheit zur Leopardenschlucht, bis ich endlich
einige Pavianbilder hatte, die in ihrer Schwermut und ihrer
geheimnisvollen Stimmung durch das Dämmerlicht wie Aufnahmen von
aktiven Vormenschen aus der Dunkelheit unserer
Entwicklungsgeschichte wirkten (Masai Mara, Seite 15). Spekulationen? 'Das Bindeglied zwischen Affe und Mensch sind wir' (Konrad Lorenz) Zilpzalp und Fitis, die beide zu den Laubsängern
gehören, weichen in ihrer DNS, also in den Strängen mit Molekülen,
die sämtliche genetischen Informationen der Eltern für die
jeweiligen Nachkommen enthalten, um 2,6% voneinander ab. Der
genetische Abstand zwischen Schimpansen und uns ist aber nur 1,6
%. Aber sie wirft auch sofort weitreichende Fragen auf: Dürfen wir Menschenarten für medizinische Versuche benutzen? Dürfen wir Menschen in Zoos ausstellen? 'Homo' troglodytes, den Schimpansen ja, aber Homo sapiens nicht? Neuseeland hat eben als erstes Land der Erde den Menschenaffen Menschenrechte eingeräumt.... Und wenn wir akzeptieren, daß Schimpansen, Zwergschimpansen, Gorillas und Orang-Utans auch Menschenarten sind, können wir dann ruhig zusehen, wie sie in ihrer Heimat von Hyänen und Löwen getötet werden. Können wir mit ansehen, wie sie durch Krankheiten sterben, gegen die wir Heilmittel haben? Dürfen wir Heilmittel nur für eine Menschenart reservieren, aber sie den anderen vier Arten vorenthalten? Müssen wir Menschen einer anderen Art helfen, wenn sie sich etwa bei einem Unfall einen Arm brechen, oder können wir ruhig aus dem Landrover zusehen, wie sie an den Unfallfolgen leiden, oder sogar langsam verhungern, weil sie den Arm nicht mehr benutzen können? Es wird in der nahen Zukunft noch recht
schwierig werden, und sicher in den nächsten 10 - 20 Jahren heiße
Diskussionen zu diesem Thema geben -. und wahrscheinlich auch
noch etwas dauern bis alle akzeptieren, daßes nicht nur eine,
sondern fünf Menschenarten auf unserem blauen Planeten gibt. Es
hat ja auch etwas gedauert, bis alle - einschließlich unserer
großen christlichen Kirchen - es geschluckt hatten, was uns
Darwin mit seiner Theorie von der Entstehung der Arten
eingebrockt hat. Viele meinen, gute Naturfotografie in
Afrika sei einfach, weil die Tiere kaum Fluchtdistanzen haben.
Speziell Geparde seien kein Problem, weil sie sich in der Savanne
nicht verstecken können.. Wenn aber ein heimlicher und vorsichtiger Leopard auf einem Felsen liegt, und er geht nur zwei Meter zur Seite ins Gras oder in einen Graben, dann wird man ihn nie wiederfinden, wenn er nicht will. Da kann man mit 100 Autos suchen. Darum gibt es auch nur so wenige wirklich gute, lebendige Leopardenfotos. Meistens liegt er auf Bildern träge in einem Baum - alleine oder neben seiner Beute. Weil dies das einzige akzeptable Leopardenfoto ist, das man ohne riesigen Zeitaufwand und ohne mentalen Einsatz relativ einfach machen kann. Wahnsinn Wenn man mit Leuten unterwegs oder in den Camps ins Gespräch kommt, und man antwortet auf die Frage nach der Profession mit 'Naturfotograf', dann bekommen die meistens einen ganz verzückten Gesichtsausdruck und verklärte Augen, und es folgt unweigerlich der Satz: ' Ach, da sind sie aber zu beneiden'. Daher habe ich einmal einen der zwölf Akte
der naturfotografischen Oper 'Masai Mara - ein Juwel in Afrika'
darauf hin analysiert, was diesen Beruf für die Leute eigentlich
so faszinierend macht: Der Tag eines Naturfotografen in Afrika
sieht so aus, daß er um 5.00 Uhr am Morgen aufsteht, und dann
sitzt er von 5.30 bis 18.00 oder 19.00 Uhr aufeinem harten,
schlecht gefederten Autositz und wird permanent über miserable
Wege transportiert. Als Bonus kommt dann manchmal noch hinzu, daß - während man sich im Gate befindet - eine freundliche Stimme durch den Lautsprecher mitteilt, daá sich der Abflug 'geringfügig' verzögern wird, weil die Maschine zu spät eintrifft (Warum sie verspätet eintrifft erfährt man nie, weil das anscheinend die 300 Paxe nichts angeht), oder weil es eine geringfügige, an sich völlig bedeutungslose technische Unregelmäßigkeit gegeben hat, aber man aus Sicherheitsgründen doch lieber ein Ersatzteil einfliegen lassen wird, welches aber schon unterwegs ist. Inzwischen würde es - auf Kosten der
Fluggesellschaft (Ehrensache) - im Flughafenrestaurant eine warme
Mahlzeit geben (was bedeutet, daß die Verspätung mindestens 5-
7 Stunden beträgt), was aber nicht schlimm ist, weil man ja
sitzen kann. Zuhause angekommen sitzt man dann wieder:
Zuerst mindestens eine Woche vor dem Leuchtpult, um die 200
entwickelten Filme der Tour zu begutauchten = 7.000 Dias zu
bewerten und 6.000 davon wegzuschmeißen. Die restlichen 1.000
werden dann bestimmt, beschriftet, gestempelt und archiviert oder
verschickt. 14. Oktober 1993 Schöner Morgen - oder: Alle Theorie ist grau! Am Abend gegen 18.30 Uhr hatten wir die Leopardin mal wieder entdeckt, und waren am nächsten Morgen natürlich ganz früh wieder dort. Gegen sieben Uhr machte sie einen Jagdversuch auf 10 Thomsongazellen und hatte sich schon bis auf 5 Meter angeschlichen. Schußbereit mit frischem Film erwartete ich ihren Angriff. Leider wurde sie dann von zwei Löwen und einem Masai gestört und floh auf einen hohen Baum, wo sie anscheinend den Vormittag bleiben wollte. Also fuhren wir weiter zur etwa 45 Minuten entfernten Gepardin mit den vier Jungen, nur um dort festzustellen, daß sie vor wenigen Minuten ein erwachsenes Impalaweibchen geschlagen hatte. Also war auch hier nichts mehr zu machen. Die Weiterfahrt zum Mara-Fluß brachte dann dort von einem Kollegen die 'erfreuliche' Auskunft, daß vor zehn Minuten achtzig Thomsongazellen den Fluß durchquert hatten, und das dabei das große, dreibeinige Krokodil Tripod (Stativ) mitten im Fluß eine Thomsongazelle erwischt hatte. Wir nannten das Krokodil so, weil es eben nur drei Beine hatte. Wenn der Masai die beiden Löwen nicht aufgescheucht hätte, und die dann meinen Leoparden nicht vertrieben hätten, und die beiden anderen Ereignisse jeweils etwas später stattgefunden 'hätten', dann wäre dies ein Morgen mit drei sensationellen Bildern geworden. Hätte der Hund. . . So war es halt ein Vormittag der verpaßten Gelegenheiten geworden. Es stellt sich eben immer wieder die Frage, welche Strategie die bessere ist: Konsequent von 6.00 Uhr morgens bis um 18.00 Uhr am Abend nur bei Leopard, Gepard oder Krokodil zu bleiben, um dann nichts, oder eine Sache gut zu bekommen; oder zu versuchen, drei Arten am gleichen Tag zu fotografieren, um dann alles, eine Art oder auch wieder nichts zu bekommen ? Im Augenblick tendiere ich dazu, lieber nur eine Sache konsequent zu machen, wenngleich das oft nervtötend langweilig ist. - Es bleibt schwierig. . . Magengeschwüre Das Schlimmste an der Tierfotografie in Ostafrika ist, daß man eigentlich nur zwei Stunden früh am Morgen zur Verfügung hat mit optimalen Bedingungen: wundervolles Licht und aktive Tiere. Man muß sich also am Abend vorher für eine der vorhandenen Optionen entscheiden - und man wählt natürlich die falsche. Heute war wieder einmal so ein wundervoller
Tag, wo alles 'kurz vor der Toilette in die Hose ging'. Auf dem Weg in's Gebiet entdeckten wir ein
Zebra, das nicht mehr aufstehen konnte, obwohl es einen völlig
gesunden Eindruck machte. Es versuchte sich bei unserer Annäherung
immer wieder zu erheben, brach aber jedesmal auf halber Höhe
wieder zusammen. Wenn das in den nächsten 2-3 Stunden Löwen
oder Hyänen bemerkten, würde es hier dramatische Momente geben.
Was tun? Diesmal entschied ich mich für den Fluß, und es wurde ein halber Erfolg. Gegen 9.00 Uhr kreuzten etwa 1.000 Gnus und einige Topis den Fluß, wobei ich einige hübsche Fotos der Gnuherde machen konnte. Der Krokodilkampf war leider ein fotografischere Mißerfolg. Das Krokodil Tripod machte es sich diesmal sehr bequem: Es zog einfach mitten im Fluß ein Topi an einem Hinterbein nach unten und hielt es unter Wasser fest, bis es nach 10 Minuten ertrunken war. Nichts sichtbar dramatisches für die Kamera passierte - nur der Kopf des Topi tauchte immer wieder auf, wenn es versuchte Luft zu bekommen und zu entfliehen. Aber es hatte keine Chance: Stativ hielt es einfach am Bein fest - mehr brauchte das Krokodil nicht zu tun, was es auch ganz offensichtlich wußte. Das war zwar höchst effektiv und ökonomisch für das Krokodil, aber leider nicht sehr fotogen für die Kamera. Höchste
Dramatik - eine Situation auf Leben und Tod, * * *
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