Gedankensplitter II

 

Wenn Sie glauben mit der Naturfotografie einen Haufen Geld machen zu können, dann ist das Unsinn. Wer Geld mit der Fotografie machen will, sollte Mode- oder Werbefotograf werden.

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Um ein guter Naturfotograf zu werden, braucht man mindestens so yiel Zeit wie man benötigt, um ein guter Arzt oder Rechtsanwalt zu werden, wahrscheinlich aber mehr. Auch ist es wesentlich mühsamer..

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Mit der Benutzung eines Statives fängt die Naturfotografie erst an, vorher ist es knipsen.
Das Stativ macht den Kopf frei für die Gestaltung.

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Wenn Sie ein Spiegelobjektiv haben, dann schmeißen Sie es in den nächsten Bach und vergessen es ganz schnell. Kein seriöser Naturfotograf auf der ganzen Welt arbeitet mit einem Spiegelobjektiv.

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Was bringt uns die Naturfotografie im neuen Jahrtausend? Mittelfristig wahrscheinlich die authentische Naturfotografie mit echten Naturdokumenten. Früher oder später werden die Menschen es leid sein, Bilder von zahmen Wölfen oder zahmen Tigern usw. als Naturdokumente vorgesetzt zu bekommen, und sich arrangierte und manipulierte Bilder von Fröschen, Schlangen, Pilzen, Chamäleons die eine - im genau richtigen Abstand - vorgesetzte Heuschrecke fressen - und ähnliche Dinge - anzusehen zu müssen.
Auch frage ich mich, wie lange es sich unsere Jagdzeitungen noch erlauben können, ihren Lesern - fast - ausschließlich Gatteraufnahmen von Damwild, Rotwild, Schwarzwild, Rehen und Hasen - ohne einen Hinweis auf den quasi Haustiercharakter dieser Tiere - als Naturdokumente unterzujubeln - gerade Jägern, bei denen Gatterjagden als verpönt gelten, und die meiner Ansicht nach sicher davon ausgehen, daß man ihnen als Jägern echte Wildaufnahmen vorsetzt von wirklichen Wildtieren, und nicht von verhaltensdomestizierten Tieren, die fett und träge im Gatter auf die nächste Fütterung warten, oder wo das Reh den Blumenstrauß aus der Hand frißt, damit Herrchen damit demnächst wieder ein Titelbild auf 'Wild und Hund' bekommt.
Dann wird uns das neue Jahrtausend sicher
innerhalb der ersten fünf bis zehn Jahre zwingen, auf die digitale Fotografie umzusteigen.
Die Vorteile sind einfach zu groß: Wenn ich jetzt nach Afrika oder Amerika fliege, muß ich dreihundert Filme mitnehmen. Das ist ein Riesengewicht, braucht viel Platz und muß heute aus den bekannten Gründen als Handgepäck mitgenommen werden, was nicht besonders lustig ist. Wenn ich dann zurückkomme, muß ich 3oo Filme entwickeln und rahmen lassen und mir anschließend alle 10.ooo Dias ansehen, 8.000 wegschmeißen und 2.000 sortieren, beschriften und etikettieren. Das kosten viel Zeit...
Wenn ich mit einer digitalen Kamera arbeite, wie etwa der neuen Nikon D1, brauche ich keine Filme mitzunehmen, kann die Bilder vor Ort jeden Abend kontrollieren und sofort an Ort und Stelle die unbrauchbaren löschen. Kann dort schon die Daten eingeben, und die 10-2o wirklich guten Fotos des Tages (falls es mal an einem guten Tag so viele sind) gleich am Abend aus der Masai Mara, der Antarktis, aus Churchill oder der Mongolei, über das (in zwei bis drei Jahren ja preiswert lieferbare) Satelittenhandy als Datensatz ins heimatliche Büro senden, so daß man dort die Bilder schon vermarkten kann, bevor der Fotograf wieder zuhause ist.
Und es wird eine Freude sein, mit Duplikaten zu arbeiten: Jetzt gibt es nur ein wirklich gutes Original von Aktionsfotos. Alle Dups sind wesentlich schlechter. Digital ist jedes Duplikat so gut wie das Original.
Auch spart man unglaublich viel Geld: Ein Profi braucht im Jahr 1.500 bis 2.000 Diafilme. Die kosten mit Entwicklung und Rahmung immerhin 10.- bis 15.- DM pro Stück - macht 20.000,- bis 30.000,- DM, die man jährlich spart, wenn man ohne Film fotografiert. Wir werden alle in einigen Jahren umsteigen, die Vorteile sind einfach zu groß.

Die bisherige, auf Film als Trägermaterial basierende Fotografie ist ja neulich erst 150 Jahre alt geworden. Naturfotografie in unserem Sinne gibt es etwa seit 1880/1890. Damals machten die Brüder Kearton ihre ersten Fotos und Otmar Anschütz veröffentlichte 1884 schon seine berühmte Bildserie vom Weißstorch in der Leipziger Illustrierten Zeitung. Es war ein weiter Weg bis dahin, seit wir vor etwa 25.000 Jahren die Welt der Ahnungen verlassen und in das Reich des reflektierenden Bewußtseins eingetreten sind. Wie lange wir als rein agierende Art im Reich derr Tiere gelebt haben, vermag heute sicher niemand genau zu sagen. Auch nicht, wie lange wir uns dann in der Welt der Ahnungen aufgehalten haben, die meiner Ansicht nach heute die Schimpansen erreichen. Wer mit diesen Verwandten einmal etwas näher in Kontakt kam, wie es mir im Gombe Nationalpark in Tanzania vergönnt war, dem wird gewiß, daß sie nicht mehr auf der Entwicklungsstufe primitiver Arten stehen , sondern auf der Schwelle zu einem Bewußtsein.
Der Schimpanse könnte in ferner Zukunft - neben uns - die zweite Art auf diesem Planeten werden, die ihre Existenz reflektieren kann.
Es war der große Naturfilmer Hugo van Larwick der entdeckte, daß die heutigen Schimpansen schon dabei sind, eine erste, primitive Religon zu entwickeln, in dem sie den Regen beschwörende Tänze aufführen.
Diese 'Religion' ist zwar noch weit entfernt von den 'primitiven Religionen' etwa der Inkas, welche die Sonne als Gott anbeteten, aber so weit nun auch wieder nicht.
Gut 100 Jahre gibt es die Naturfotografie also schon - aber viel interessanter ist ja, wie lange wird sie es noch geben?
Sicher wird sie mit unserer heutigen Entwicklungsstufe untergehen.
Wann genau wir das Tierreich verlassen haben wagt heute - noch - niemand genau zu sagen; ob schon vor 100.000 Jahren oder erst vor 25.000. Sicher ist aber auf jeden Fall, daß unsere jetzige Entwicklungsstufe nicht die letzte ist .
Wenn wir uns den millionen und milliarden Jahre dauernden Prozeß von Zelle über Fisch, Echse bis hin zu Voraffe, Affe, Menschenaffe, Vormensch, Mensch ansehen, dann kann als nächste Stufe ja nur vorstellbar sein, daß wir unseren ja immer noch zu 99,9% tierischen Körper verlassen, und mit unserem reflektierenden Bewußtsein den jetzigen 'Aufbewahrungsbehälter Gehirn' verlassen, und seinen Inhalt auf einen Chip, ein Videoband oder eine Festplatte überspielen. Unsere Weiterentwicklungsmöglichkeiten als Art danach sind überhaupt nicht abzusehen.. Der Mensch als Wesen auf dem Weg vom Homo sapiens zum Homo festplatti..?
Uns Heutige und unsere Taten bzw. Untaten wird man dann nachsichtig - wir wußten bzw. konnten ja nicht besser - in die Reihe der vormenschlichen Arten einordnen, auf dem langen Weg der Entwicklungsgeschichte über Voraffe, Affe, Menschenaffe, Vormensch, Mensch und wirklichem Menschen (Homo festplatti ?), der endgültig das Tierreich verlassen hat. Nur wird es dann leider keine Naturfotografie mehr geben, denn wozu soll sich unser auf einer Festplatte gespeichertes Ich eine Kamera mit einem 4.0/300 mm Objektiv kaufen?

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Während die meisten Menschen unserer Zeit - leider - nur passive Kramkonsumenten sind, die mit der siebten Wiederholung irgendeiner dümmlichen Fernsehserie auf irgendeinem Fernsehkanal ruhiggestellt werden, haben wir Naturfotografen das Glück, hauptamtlich, nebenamtlich oder steckenpferdreitend einer wichtigen, sinnvollen und interessanten Beschäftigung nachgehen zu dürfen.

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Wie könnte man den Begriff 'Erfolgreiche Naturfotografie' definieren? Aus meiner Praxis würde ich ihn heute definieren als 'kalkuliertes Glück'. Glück bedeutet hier zur rechten Zeit am rechten Platz zu sein, etwa wenn die Felsenpython ein Impala verschlingt, und kalkuliert heißt eben präpariert und vorbereitet zu sein, durch das richtige Stativ, die richtige Kamera, den richtigen Film, das richtige Objektiv und - seine handwerklichen und kreativen Fähigkeiten in den Jahren vorher so geschult zu haben, das man die Chance auch in der qualitativ bestmöglichen Art und Weise wahrnehmen kann.

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. Wenn Dein Foto nicht gut ist, warst Du - emotional --nicht nahe genug dran.

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. Der 'richtige Augenblick' ist von keiner Kamera auszumachen, nicht von einer Nikon, Minolta oder Canon, sondern nur von einem Naturfotografen, der mit Kopf, Auge und Herz sein Motiv erkennt und intuitiv weiß, was er tun und welche Ausrüstung er benutzen muß, um diesen richtigen Augenblick adequat umzusetzen in die fotografische Wirklichkeit, die nicht gleichzusetzen ist mit der Realität.

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. Jeder ist mal vier Wochen motiviert - ein Geheimnis erfolgreicher Naturfotografen ist vielleicht, daß sie Glücksgefühle und Motivation durch einen Erfolg über einen langen Zeitraum hinweg konservieren können, und sich in einem langen Gleitflug - wie ein Segelflieger von Wolke zu Wolke - von einem Erfolg bis zum nächsten tragen lassen.

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.Wenn man wirklich gute Naturfotos machen will, muß man versuchen, ein 'kompletter' Naturfotograf zu werden. Etwa wie ein Spitzentennisspieler: Er mag eine gute Vorhand haben, sein Aufschlag erstklassig sein, die Beinarbeit hervorragend, seine Taktik und Vorbereitung optimal - aber wenn er dabei eine schwache Rückhand hat, wird er durch diesen einen Minuspunkt niemals zur absoluten Spitze vordringen. Er muß also alles daransetzen, diese eine Schwäche auszumerzen, um auf allen Gebieten gleichmáßig gut zu werden.
In der Naturfotografie ist es ebenso. Entwickeln Sie ihre Fähigkeiten weiter und trainieren Sie Ihre Schwächen, bis sie verschwunden sind. Sie brauchen eine perfekte Technik, kreatives Können, exaktes und sauberes Arbeiten, eine Strategie, biologisches Wissen und Zielstrebigkeit. Außerdem sollten Sie extrovertiert sein, Kontakte knüpfen können, Beziehungen pflegen und dafür sorgen, daß man an den publizistischen Schaltstellen (sprich bei Bildredakteuren) Ihre Arbeiten kennt. Was nützen die einmaligsten Fotos, wenn niemand weiß, daß diese in Ihrer Schublade liegen...
Der münchener Kollege Frieder Sauer hat mal geschrieben: Ein professioneller Naturfotograf sollte sechs Stunden am Tag hart arbeiten, und sechs Stunden am Tage mit der Schelle durch die Stadt ziehen und dabei laut rufen: 'Ich bin der größte Naturfotograf aller Zeiten' - oder: 'Wer nicht wirbt, stirbt'.

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Naturfotografie ist wie eine Droge. Sie hat eine unglaubliche Kraft, und es ist etwas sehr Erfüllendes, mit der Naturfotografie umzugehen bzw. mit ihr zu leben. Natürlich ist auch kein Naturfotograf frei von Selbstzweifeln, aber das kann ja durchaus etwas sehr positives sein, weil man sich dadurch weiterentwickeln kann. Ich hätte ohne Naturfotografie nicht leben mögen - keinen Augenblick .