Fritz Pölking

Zauber der nächtlichen Kamerajagd

Zwischen Tag und Traum mit Kamera und Teleblitz 
in der geheimnisvollen Welt der Leoparden

Es war gegen 17.00 Uhr: In einem Baum vor mir in Kenias Masai Mara Wildschutzreservat hing ein totes Impala - noch völlig unversehrt, nur halt tot. Unter dem Baum lag die Leopardenmutter Half tail, einige Meter daneben Ihre beiden jüngsten Kinder Mang'aa und Taratibu, beide etwa ein halbes Jahr alt, und ungefähr 15 m entfernt die größere Tochter Beauty, die ein Jahr älter war als ihre beiden Geschwister. Alle vier im hohen Gras kaum zu sehen.

Die Mutter bewachte die Beute wohl für die beiden Kleinen, denn immer wenn die ältere Tochter sich dem Baum mit der Beute nähern wollte, wurde sie von Half tail warnend angeknurrt.

So blieb die Situation, bis ich bei Einbruch der Dunkelheit den Platz verlassen musste, weil man sich hier im Reservat bei Nacht nicht außerhalb der Camps aufhalten darf. Am nächsten Morgen in aller Frühe bot sich folgendes Bild: kein einziger Leopard mehr zu sehen, und das ausgewachsene Impala völlig aufgefressen, nur der Schädel mit den Hörnern lag unter dem Baum als einziger Zeuge einer nächtlichen Fressorgie.

Hatte die Mutter zuerst gefressen, oder die große Tochter? Oder erst die beiden Kleinen und dann die Mutter? Oder die Mutter mit den Kleinen zusammen und dann die große Tochter? Oder haben schließlich alle vier Leoparden zusammen im oder unter dem Baum das Impala verzehrt? Da wäre ich liebend gerne Zeuge mit Kamera und Blitzlicht gewesen. Und ich schwor mir: Bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit machst du Nachtaufnahmen von Leoparden.

Was allerdings leichter gesagt ist als getan. Zuerst muss man mal Leoparden haben, die ziemlich sicher und regelmäßig an einem Ort anzutreffen sind. Die dafür beste Zeit ist, wenn eine Leopardin so etwa 3-4 Monate alte Junge hat. Solange die Jungen kleiner sind, leben sie zu versteckt in Höhlen, Gräben und Gebüschen - und wenn sie älter und größer sind, zieht die Mutter zu oft mit Ihnen um, damit die Kinder die Heimat und die Gefahren eines Leopardenlebens kennen lernen, und dann 'verschwendet' man sehr viel Zeit darauf, sie jeden Tag neu zu suchen.

Aber so mit drei bis vier Monaten, dann sind sie schon sehr rege, klettern auch in Abwesenheit der Mutter auf Bäumen und Felsen herum, und die Mutter kommt noch fast täglich - oder jede Nacht - damit die Kinder Ihre Muttermilch bekommen. Allerdings ist das alles nur Theorie - der Naturfotograf denkt, aber der Leopard lenkt!

Etwa zwei Jahre nach dem eingangs geschilderten Erlebnis war es endlich so weit: Half tail hatte um den 28. Januar zwei neue Junge bekommen, und Mitte April war ich da, um die Mutter mit ihrem dritten Wurf junger Katzen zu fotografieren - aber diesmal auch nachts, das war zumindest der Plan.

Eines der beiden Leopardenkinder war leider schon vor meiner Ankunft gestorben. Man hatte es zuletzt Ende Februar im Alter von etwas vier Wochen gesehen. Ob Löwen, Hyänen, Krankheiten oder andere Ursachen zum Tode führten, weiß man nicht. Das überlebende Jungtier war ein sehr dunkel gefärbtes Weibchen und wie die Mutter überhaupt nicht scheu. Als ich es am 17. April kurz vor Sonnenuntergang zum erstenmal sah, schaute es mit dem Kopf neugierig über eine Felskante in Richtung Auto. Dann kletterte es in einen dichtbelaubten Baum, weil plötzlich eine Hyäne entlang bummelte, und blieb da bis zur völligen Dunkelheit. Wir warteten noch einige Zeit, aber von Half tail  war leider nichts zu sehen.

Zawadi schaut mit großen Augen über eine Felskante

Die kleine Leopardin schien den Charakter Ihrer Mutter geerbt zu haben, ebenso wie Mang'aa, der auch heute noch im Alter von etwa zweieinhalb Jahren Autos gegenüber völlig unbekümmert ist. Beauty dagegen ist wesentlich scheuer geworden und verschwindet immer sofort, wenn sich ihr Autos nähern. Nur wenn sie noch manchmal mit ihrer Mutter zusammen ist, legt sie ihre Scheu vor Autos ab.

Interessant ist, dass sich die Reviere von Mutter Half tail und Tochter Beauty immer noch überschneiden, obwohl die Tochter ja schon fast dreieinhalb Jahre alt ist. Jetzt im März hat man die beiden wieder einmal zusammen gesehen. Tochter Beauty hatte ein junges Warzenschwein erbeutet und in einem Baum deponiert, etwa 2 km vom dritten Wurf der Mutter entfernt. Später sah man Mutter und große Tochter einträchtig zusammen an der Beute fressen. Der jüngere Sohn Mang'aa lebte mit seinen zweieinhalb Jahren auch noch im Revier seiner Mutter, und zwar bevorzugt im südwestlichen Teil, in der Gegend um das No-Camping Wäldchen.

Für die geplante nächtliche Kamerajagd auf Leoparden hatte ich etliche Vorbereitungen zu treffen: Zuerst einmal musste ich eine Genehmigung haben, damit ich überhaupt in der Dunkelheit herumfahren konnte. 
Dann eine Rotlichtlampe, die ihre Energie aus dem Zigarettenanzünder des Wagens bezog, und in deren rötlichem Lichtstrahl ich in der Dunkelheit mit AF scharfstellen konnte, und an dem sich Leoparden nicht stören, wie ich auf Reisen vorher ausprobiert hatte.

Dann noch ein Nachtsichtgerät, welches das vorhandene Restlicht um ein vielfaches verstärkt, um überhaupt erst einmal in der Dunkelheit etwas zu sehen. Dazu noch ein interessantes Zubehörteil von Nikon, den SK-6 Powerbügel, der die Blitzfolgezeit beim Nikon SB-24, SB25 und SB-26 von etwa 7 auf 3 Sekunden verkürzt. Denn wenn man in der Dunkelheit vor einem Leoparden steht, der eben ein Zebra erbeutet hat, und muss dann immer 7 Sekunden warten, bis die nächste Aufnahme möglich ist, so führt das schnell zu einem Herzinfarkt, oder legt den Grundstein für ein Magengeschwür .

Dazu dann noch den Lepp Teleblitz-Vorsatz. Probeaufnahmen im nächtlichen Deutschland zeigten, dass der SB-24 - bei Reflektorstellung auf 85 mm - mit dem Sensia-l 00 bei Blende 2,8 so eben bis 10 rn Entfernung reichte. Mit dem Lepp Vorsatz ging er locker bis 25 rn. Was für mich in der Praxis bedeutete: bis 25 rn nehme ich Sensia-l 00 und wenn die Leoparden oder andere Tiere weiter entfernt sind, den Sensia-400.

Testaufnahmen waren gemacht, Genehmigung war da - Rotlichtscheinwerfer, Nachtsichtgerät, Teleblitz Vorsatz und 'Blitzfolgezeitverkürzer' waren einsatzbereit, der kleine Leopard war gefunden: es konnte losgehen.

18. April: Heute Vormittag haben wir überraschend die Gepardin 'Queen' mit ihren zwei etwa 16 Monate alten Kindern getroffen. Sie ist die einzige Gepardin hier in der Masai Mara, die es sich angewöhnt hat, regeImäßig auf die Kühlerhauben von Autos zu springen, wohl weil sie erkannt hat, daß man von dort aus sehr gut die Umgebung überblicken und nach Beute Ausschau halten kann. Sie springt nicht nur kurz auf die Kühlerhauben, sondern bleibt da oft 15-30 Minuten sitzen. Heute morgen saß sie erst lange Zeit auf einem Toyota Landcruiser vom Mara Buffalo Camp, um später dem kleinen Suzuki eines japanischen Fernsehteams die Ehre zu geben, welches dieses schöne Bild allerdings nicht filmen konnte.

Der Rest des Tages verlief ruhig, und um 17.00 standen wir mit unserem Wagen in der Leopardenschlucht, etwa 20 m von dem Felsabhang entfernt, wo eigentlich der kleine Leopard in einer Höhle hinter Büschen versteckt den Tag verbracht haben musste. Gegen 18.00 Uhr - in den letzten Sonnenstrahlen - kam er dann heraus, um auf einem großen Felsbrocken spielerisch Siedleragame zu jagen. Gegen 18.30 Uhr verschwand er plötzlich blitzschnell wieder in seinem Versteck: In etwa 100 m Entfernung warnte nämlich auf einmal ein Klippschliefer, und das war Grund genug für den kleinen Leoparden, unverzüglich die Sicherheit seiner Höhle zu suchen. Was er nicht wissen konnte: der Warnruf des Klippschliefers galt seiner Mutter, die eben von ihrem heutigen Tagesrastplatz - eine etwa 2 km entfernt liegende Felsgruppe - zurückkam, um nach der Tochter zu sehen.

Die Begrüßung fand leider versteckt hinter Büschen statt, aber etwa 10 Minuten später - es wurde eben dunkel, kam Half tail mit ihrer kleinen Tochter die Felswand herab, und legte sich genau 10 m vor unser Auto auf den grasbewachsenen Boden der Leopardenschlucht, und die kleine Leopardin fing sofort an mit Mama zu spielen und die Felswände in Umkreis von 20-40 m herauf und herab zu rennen, um dazwischen immer wieder die Mama spielerisch anzuspringen. Man merkte es der kleinen Leopardin förmlich an, wie sie es genoss, jetzt im Schutze der Mutter herumtollen zu dürfen.

Tochter Zawadi tollt in der Dunkelheit hinter Mutter 
auf den Felsen der Leopardenschlucht

Nach einer etwa halbstündigen Spielzeit zog die Leopardenmutter mit der Kleinen langsam die gegenüberliegende Felswand hoch, und verschwand einige Minuten später mit ihr in der Dunkelheit der Nacht. Leider konnten wir den beiden in diesem Gelände nicht folgen, und ich wünschte mir, man könnte in solchen Situationen das Auto in einen geräuschlosen Hubschrauber verwandeln.

Der erste Abend war ein voller Erfolg: alle Geräte arbeiteten einwandfrei, und die Leoparden störten sich weder am Rotlicht noch am Blitzlicht. Eine erfreuliche Entdeckung machte ich noch zusätzlich: Als die Leopardin sich in etwa 10 m Entfernung vor den Wagen legte, machte ich die Bilder mit dem 2.8/300 mm Objektiv und dem Lepp Televorsatz vor dem Nikonblitz SB-24. Durch die Unterstützung des Blitzfolgezeitverkürzers hatte ich anscheinend im Gerät so viel Energie zur Verfügung, dass die Blitzfolgezeit bei unter einer Sekunde lag. Ich konnte also praktisch hintereinander fotografieren, ohne eine Blitzaufladezeit abwarten zu müssen.

19. April: Nachdem die Leopardin etwa vier Wochen ihre Tochter an zwei verschiedenen Stellen in der Leopardenschlucht untergebracht hatte, war sie nun leider 'unbekannt verzogen' und wir suchten den ganzen Tag alle in Frage kommenden Gebiete ab, ohne auch nur eine Spur von ihr zu entdecken.

22. April: Heute Nachmittag gegen 17.00 Uhr trafen wir auf fünf Giraffen, wovon eine angestrengt einen Punkt in 100 m Entfernung im hohen Gras fixierte. Wir untersuchten systematisch die Umgebung dieser Stelle, und fanden schließlich unter einer Fieberakazie einen toten Impalabock, dem bereits das rechte Hinterbein abgefressen war. Vielleicht hatte die Giraffe den Leoparden von seiner Beute davonschleichen sehen. Als wir kurz vor Dunkelheit noch einmal wiederkamen, fraß der Leopard eben an seiner Beute, ließ uns aber nicht näher als etwa 40 m herankommen. Es war auf jeden Fall nicht unsere Mutter Half tail, sondern ein unbekannter Leopard.

Später in der Dunkelheit sahen wir plötzlich einen Karakal, der aber leider ausgesprochen fotoscheu war und sofort in der Dunkelheit verschwand.

Anders dagegen der Milchuhu, der mit großen, schwarzen Augen auf einem Termitenhaufen saß, und sich 20 Minuten lang fotografieren ließ. Ihn störte weder das rote Einstelllicht noch das Blitzlicht, er reagierte auf beides überhaupt nicht, sondern suchte mit den Augen immer die Umgebung nach möglicher Beute ab. So konnte ich ihn ausgiebig mit und ohne 1,4x Konverter vor dem 2,8/300 mm AF-Objektiv fotografieren., im Hoch- und Querformat, in die Mitte gesetzt oder etwas zu Seite -  er ließ sich in keiner Weise tangieren.

Der Milchuhu

23. April: Heute Nachmittag fanden wir eine große Löwengruppe mit 2 Männchen, drei Weibchen und 14 Jungen in verschiedenen Altersstufen. Sie lagen alle unter und in dichten Büschen, um Schutz vor der Hitze zu finden. Eine Stunde vor Sonnenuntergang kamen sie heraus und fingen an zu spielen, aber erst in der Dunkelheit wurden sie wirklich mobil und zogen in die offene Savanne. Hier versuchten die Jungen bei den Müttern zu trinken, was denen aber nicht so recht gefiel - immer wieder fletschten sie die Kleinen mit den Zähnen an oder gingen einige Meter weiter, um den kleinen Quälgeistern zu entkommen. Aber da half ihnen die Dunkelheit überhaupt nicht - die Kindern wussten immer genau, wo die Mütter waren, sicherlich konnten sie genau so gut wie diese in der N acht sehen.

24. April: Heute morgen gegen 7.00 Uhr fanden wir endlich Half tail wieder. Sie schleppte eben einen ausgewachsenen Impalabock durch die Savanne, und an der Spur konnte man sehen, dass sie ihn schon mindestens 200 rn zog. Schließlich brachte sie ihn unter einen Strauch, und legte sich völlig erschöpft neben einen Baum in der Nähe. Fünf Tage hatten wir sie jetzt nicht gesehen, obwohl wir immer nach ihr gesucht hatten. Jetzt hieß es den ganzen Tag in ihrer Nähe zu bleiben, damit sie uns am Abend - hoffentlich - zu ihrer Tochter führen würde

Merkwürdig ist, dass die Touristen in den Autos um sie herum sich laut in 20 rn Nähe unterhalten können, ohne dass die Leopardin reagiert. Aber wenn Maasai in 200 rn Entfernung vorbeigehen und sich dabei unterhalten, ist sie sofort hellwach und fluchtbereit.

Touristen - und vor allem Journalisten auf einem vom Veranstalter gesponserten Quicktrip durch die Reservate Ostafrikas - glauben manchmal, daß die Tiere doch sehr gestört werden durch die 5 oder 10 Fahrzeuge, die da mit ihrem Inhalt stehen und aus denen heraus beobachtet, geknipst und laut geredet wird.. Man macht sich meistens nicht klar, daß diese Karawane sich ja nur kurz bei einem Tier aufhält, und dann weiterfährt. 
So auch hier am heutigen Tag: Zwischen 9.00 und 10.00 Uhr kamen einige Touristenfahrzeuge, und dann wieder auf der Nachmittagsrunde gegen 17.00 Uhr. In den 13 Stunden, die ich da stand, war in mindestens 11 Stunden kein anderes Fahrzeug zu sehen, und die Leopardin schlief, ruhte oder döste den ganzen Tag über im Schatten von Bäumen nahe der Beute; wobei sie so alle 1-2 Stunden mal die Position wechselte, und zweimal an der Beute fraß.

Es passierte eigentlich den ganzen Tag über nichts, bis sie bei Einbruch der Dämmerung noch einmal zur Beute ging und zehn Minuten daran fraß. Inzwischen war das Impala auf die Hälfte geschrumpft und eigentlich erwartete ich, daß sie es auf einen Baum schaffen würde, aber nichts geschah. Als es dann richtig dunkel war, ging sie gemächlich zu einem Wasserloch etwa 80 rn entfernt, und trank ausgiebig. Nach 2-3 Minuten konnte man plötzlich hören, wie sich Hyänen an der Beute stritten. Sie waren wahrscheinlich schon lange in der Nähe gewesen und hatten nur auf den Moment gewartet, wo wir - die Leopardin und das Auto - uns von der Beute entfernten.

Die Leopardin hörte sie natürlich auch, und ging vorsichtig den halben Weg zur Beute zurück, blieb da einen Augenblick stehen - so als würde sie nachdenken was jetzt zu tun ist - und zog dann langsam in die nächtliche Savanne hinaus. Sie wusste natürlich, dass sie keine Chance hatte, Ihre Beute von den 3-5 Hyänen zurückzuerobern.

Die Hyänen an der Beute gaben schaurig klingende Rufe von sich, die ich am hellen Tag noch nie gehört hatte, und es klang so, als gäbe es zwischen ihnen am toten Impalabock ernsthafte und verbissen ausgetragene Verteilungskämpfe. Das hätte ich mir gerne mit dem Nachtsichtgerät angesehen und mit Kamera und Blitz fotografiert, aber ich musste mich jetzt entscheiden: entweder Hyänen am Luder zu fotografieren oder dem Leoparden in die dunkle Nacht zu folgen, um so vielleicht die neue Höhle der kleinen Tochter zu entdecken. Ich entschied mich für den Leoparden und wir folgten ihm etwa eineinhalb Stunden lang, dann zog er leider durch ein mit großen Steinen übersätes Gebiet, wohin wir ihm mit dem Wagen beim besten Willen nicht nachfahren konnten, und so verloren wir hier leider seine Spur.

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Hier versucht die große Tochter Beauty in der Nacht
 ein ausgewachsenes Impala auf einem Baum
 vor Hyänen in Sicherheit zu bringen.

Nachtsichtgeräte (Restlichtverstärker) sind toll: man sieht - schlicht gesagt - mit dem bloßen Auge überhaupt nichts, und mit dem Nachtsichtgerät alles. So gab es auch in der Zeit, wo wir der Leopardin folgen konnten, zwei interessante Begegnungen: Zuerst saß plötzlich vor ihr auf dem Trampelpfad, den die Leopardin eine zeitlang benutzt, eine Taube. Diese ließ die Leopardin bis auf etwa 2-3 m herankommen. Als sie dann aufflog, sprang die Leopardin hoch und schlug in der Luft mit der Tatze nach ihr, genau wie die Hauskatze nach einem zugeworfenen Wollknäuel. 

Die zweite Begegnung in der Nacht war noch interessanter: Plötzlich blieb die Leopardin stehen, sie hatte in 50 m Entfernung eine Hyäne entdeckt, und rannte dann schnell zu einem Baum in etwa 20 m Entfernung. Die Hyäne folgte ihr und ich dachte, die Leopardin würde nun auf den Baum springen. Sie setzte sich aber nur darunter, und als die Hyäne bei ihr war, legte sich die Leopardin auf die Seite. Dieses Verhalten hatte ich schon zweimal bei Tageslicht in früheren Jahren gesehen, daß sich diese Leopardin auf die Seite legte, wenn Hyänen oder Pavianmännchen ihr zu nahe kamen.

Die Hyäne umkreiste die Leopardin einmal, und zog dann fort. Diese wartete einen Moment, und ging dann auch weiter. Warum war sie wohl unter den Baum geflüchtet, wenn sie ihn dann doch nicht erkletterte? Vielleicht war dies nur eine Rückversicherung, falls die Hyäne angreifen oder andere folgen würden; vielleicht hatte sie die Hyäne aber auch nicht gleich richtig einordnen können und es hätte ja auch ein Löwe sein können! Es war immerhin finstere Nacht, und nur wir mit den Nachtsichtgeräten konnten alles klar erkennen.

Später auf dem Rückweg zum Camp sahen wir noch eine junge Giraffe, die in der Dunkelheit von einer Löwin verfolgt wurde. Beide liefen - im Abstand von 100 m -  schnell an unserem Wagen vorbei und wie die Jagd ausging, musste ungewiss bleiben, da wir wegen der Geschwindigkeit der Tiere diesen in der Nacht leider nicht folgen konnten.

25. April:. Auch heute suchten wir ab 6.00 Uhr am Morgen nach der Mutter mit ihrer Tochter, leider ohne etwas zu entdecken. Aber um 18. 10 Uhr - es waren nur noch 20 Minuten bis zur Dämmerung - sahen wir die Tochter plötzlich in 2 m Höhe in einer Fieberakazie sitzen, und jetzt entdeckten wir auch Mutter Half tail, die etliche Meter entfernt im hohen Gras lag, und 10 m weiter stand eine Hyäne, die wohl kontrollieren wollte, ob bei den Leoparden irgendeine Beute abzustauben war. Ihr hatten wir es letztlich zu verdanken, dass wir die kleine Leopardin überhaupt entdeckt hatten, denn diese war wohl deretwegen auf den Baum geflüchtet. Ohne Hyäne hätte sie sicher bei ihrer Mutter im Gras gelegen. Nachdem die Hyäne schließlich weitergezogen war, kletterte die Kleine vom Baum herab, lief zur Mama und begann Milch zu trinken. Nach Einbruch der Dunkelheit zogen beide zur etwa 500 m entfernt liegenden Leopardenschlucht, die sie in ihrer ganzen Länge durchmaßen, um schließlich fast am Ende dieser an einer Felswand hochzuziehen und dort zu verschwinden.

26. April: Heute morgen waren wir natürlich in der Dämmerung schon wieder da, und entdeckten auch gleich die herumkletternde junge Leopardin. Gegen 7.00 Uhr tauchte auch Mutter Half tail auf, und kletterte auf einen einzeln am oberen Rand der Leopardenschlucht stehenden Baum. Sie kam gleich wieder herunter, und hatte eine ausgewachsene, männliche Grüne Meerkatze in der Schnauze. Sie musste diese in der Nacht erbeutet und dort oben deponiert haben. Beide fingen jetzt an zu fressen. Nach einer halben Stunde nahm der kleine, jetzt fast genau drei Monate alte Leopard den ausgewachsenen Affen und schleppt ihn zu einem etwa 10 rn entfernt stehenden Baum, den er mit der Beute erklettern wollte. Dreimal versuchte er es, dreimal fiel er mit der Beute aus einem halben Meter Höhe wieder herunter und landete auf dem Rücken im Gras, die Beute über sich. Ein Bild für die Götter. Nach 5 Minuten kam die Mutter, nahm der Tochter die Beute ab, und brachte sie wieder an die alte Stelle, wo beide dann zusammen den Affen fraßen, bis nichts mehr da war.

Eine Delikatesse: 
blaue Eier zum Frühstück..

Nachdem wir vor dreieinhalb Jahren die erste Tochter von Paradies Beauty (Schönheit) getauft hatten, und vor zweieinhalb Jahren die Tochter des zweiten Wurfes mit Taratibu (Vorsichtig) und den Sohn mit Mang'aa (Unbekümmert) benannt hatten, gaben wir jetzt dieser Tochter den Namen Zawadi (Geschenk), weil sie uns in den letzten beiden Tagen doch so zauberhafte Beobachtungen ermöglicht hatte.

Insgesamt hatte unsere Leopardin  'Half tail', so  genannt, weil Ihr Paviane vor Jahren den halben Schwanz abgebissen hatten - bisher in ihrem Leben wohl etwa zehn Kinder zur Welt gebracht. Im Herbst 1990 vermutete man zwei Junge, die aber beide kurz nach der Geburt gestorben sein müssen, Im November 1992 sollen es drei Junge gewesen sein, wovon aber nur Beauty überlebte. Im Herbst 1993 hatte sie wieder drei Junge, wovon zuerst Mang'aa und Taratibu überlebten, aber die Tochter Taratibu im Alter von einem Jahr dann von einer Löwin getötet wurde. Und jetzt im Januar hatte sie wohl zwei Junge, wovon Zawadi überlebte. Paradies ist jetzt so etwa 9 -10 Jahre alt, und von den etwa 10 Kindern, wovon im Augenblick noch drei am Leben sind, hat noch keines selbst Nachwuchs gezeugt. Beauty dürfte aber so weit sein, dass sie Half tail bald zur Großmutter macht. 

Hier sitzt Mutter Half tail unten am Baum in einer Astgabel,
während die beiden Kinder in der Baumkrone einen
 in der Nacht erbeuteten Hasen verzehren.

Wenn man eine Tierart längere Zeit beobachtet, dann macht man viele interessante Beobachtungen, die man nie machen würde, wenn man nur 'mal eben' einen Leoparden fotografiert, und dann einen Elefanten, ein Impala, einen Fledermausohrfuchs usw. So sucht Half tail die 'Aufbewahrungsplätze' für ihre Kinder immer so aus, dass sowohl ein Baum als auch eine Höhle vorhanden sind. In die Höhle verkriecht sich das Kleine, wenn Paviane kommen, denn die haben Angst vor dunklen Höhlen, und auf den Baum klettert der junge Leopard, wenn Hyänen oder Löwen kommen, denn die würden ihn aus der Höhle herausholen und töten, können aber nicht auf Bäume klettern. Auch war diese Beute (die Meerkatze) wieder so geschickt gewählt, dass man sie schnell verzehren konnte, ohne durch den Geruch einer länger liegenden, größeren Beute Hyänen und Löwen anzulocken. Das war mir früher schon aufgefallen: Immer wenn sie Beute zu den (kleinen) Jungen mitbrachte, waren es Hasen oder kleine Kitze, aber nie größere Tiere, die problematisch waren.

Diese ersten Nachtaufnahmen aus dem 'afrikanischen Busch' sollten nur ein Testlauf für den Einstieg in ein - für mich - völlig neues Thema sein. Es zeigte sich aber hier schon, dass es da große Möglichkeiten für die Zukunft gibt und ein weites und relativ unbearbeitetes Feld für engagierte Naturfotografen weit offen da liegt. Denn was passiert nicht alles - unfotografiert - in einer Nacht in Afrika's Wildnis...

Das zusätzliche Handwerkszeug für die nächtliche Kamerajagd in Afrika:

Nikon Blitz SB-24 mit ,Blitzfolgezeitverkürzer' Nikon Powerbügel SK-6, 
Lepp Teleblitzvoratz,  Rotlichtscheinwerfer mit Anschlußstecker 
für den Zigarettenanzünder im Auto,  und ganz rechts das 
Nachtsichtgerät (Restlichtverstärker BN-2,5 von Kettner).

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